Wo Prostitution ist, ist auch Menschenhandel (zum Zweck der sexuellen Ausbeutung) im Spiel – bei der großen Mehrheit.
Versteckt.
Hinter den Kulissen.
Für die meisten nicht sichtbar.
Doch er ist da.
Ich habe ihn gesehen.
Ich habe gehört.
Oft.
Ich weiß um ihn.
Immer mehr vertreten ist die sogenannte „Loverboy-Methode“, mit der auch ich Erfahrungen gemacht habe.
Ganz gefährlich.
Loverboys sind Männer, die gezielt nach Frauen suchen, vorwiegend nach jungen Mädchen, diesen dann Liebe vorspielen mit dem Ziel sie später in Form von Zuhälterei auszubeuten, wobei man über das Wort „ausbeuten“ im Sinne z.B. des § 232 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 2 StGb und des § 181a Abs. 1 Nr. 1 StGb streiten kann. In dem Beitrag, den ich unten verlinkt habe, steht dazu noch, dass diese Loverboys zwischen 18 und 28 Jahren sind – nein, es sind Männer jeder Altersklasse.
Ich habe in meinen Beiträgen bis jetzt nie geschrieben, wie mein Weg in die Prostitution komplett verlaufen ist. Ich habe zwar darüber geschrieben, wie gebrochen meine Persönlichkeit zu diesem Zeitpunkt war als ich in die Prostitution eingetreten bin, aber nie darüber, wie ich dann letztlich überhaupt zu ihr, in das Rotlichtmilieu, kam.
Ich kam dazu durch diese „Loverboy-Methode“.
Diese Methode kann auf ganz unterschiedliche Weise funktionieren und stattfinden.
Wie zum Beispiel kann man u.a. hier nachlesen:
Im Visier haben Loverboys nicht nur junge Frauen und Minderjährige, die in materieller Not leben. Sie suchen vor allem nach Frauen mit geringem Selbstvertrauen, die leicht manipulierbar sind. Nach dem scheinbar spontanen Kennenlernen vor Schulen oder Freizeiteinrichtungen oder immer häufiger im Internet verstärken sie den Kontakt. Die Loverboys geben den späteren Opfern das Gefühl von Bestätigung, Anerkennung und Zuneigung. Verliebt sich eine Frau, schnappt die Falle zu. Der angebliche Freund missbraucht ihr Vertrauen, um sie von ihm abhängig zu machen – mit dem klaren Ziel, sie später sexuell und materiell auszunützen… Quelle
Der Loverboy drängt sich Schritt für Schritt zwischen das Mädchen und dessen soziales Umfeld. Die Bindung an ihn wird immer enger, während Freundschaften und Kontakte zur Familie nach und nach zerbrechen. Diese soziale Isolierung läuft so lange, bis das Mädchen das Gefühl hat, dass ihr neuer Freund der Einzige ist, der es versteht… Quelle
So wie in diesen Zeilen beschrieben lief es im Groben bei mir ab. Ich lernte ihn (ca. 20 Jahre älter als ich) im Internet als junges Mädchen kennen, unter anderem nach jahrelang andauernden familiären Problemen, einem Aufenthalt in der Klinik wegen Magersucht sowie nach selbstverletzendem Verhalten (er kannte diese Umstände), und wurde sein „Fang“. Er vermittelte mir Halt, sagte er würde mich lieben, wurde für mich zu meinem „Retter“, zu meinem Lebensmittelpunkt. Nach und nach kamen seine Schulden ins Spiel, seine darauf basierenden Probleme, usw… Er wusste, welches Spiel er mit mir spielte. Er war ein „alter Hase“ in diesem Bereich, im Rotlichtmilieu, er war ein Altlude, was ich dann nach und nach rausfand. Ich wurde physisch nicht dazu gezwungen mich zu prostituieren – mein Weg in die Prostitution, mein Weg in das „Leben Rotlichtmilieu“, verlief über emotionale Abhängigkeit ihm gegenüber – er stellte meine einzige Bezugsperson dar -, der Ausübung von psychischem Druck auf mich und Angst.
Es war schwer aus diesem Teufelskreis auszubrechen, weil es verstanden wurde mich in der „Spur“ zu halten. Nach ein paar Jahren war ich irgendwann stärker und konnte aus diesem System ausbrechen.
Über einen sehr langen Zeitraum hinweg habe ich alles Geld, was ich dort in der Prostitution verdiente, abgegeben. Alles. Die Loverboy-Methode ist aufgegangen.
Und schlussendlich ist es doch so, dass es nicht in Ordnung ist, einen Menschen, egal welchen Alters, überhaupt in die Prostitution zu treiben mit dem Ziel an Geld zu kommen. Denn wenn das erlaubt ist steht fest: jemand kann an einer Person Geld verdienen indem er sie dazu bringt sich zu prostituieren, was bedeutet sich (wissenschaftlich bestätigten) traumatischen Handlungen auszusetzen – wie kann es legitim sein, einen Menschen dazu zu bringen sich immer und immer wieder zu traumatisieren um von der Ausbeute davon zu profitieren? Es sollte nicht legitim sein, selbst wenn weniger als 50 % abgegeben werden müssen.
Und eines möchte ich noch sagen:
Der Menschenhandel ernährt sich von der Existenz der Prostitution und er ernährt sich noch mehr von der Legalität von Sexkauf, der den Menschenhändlern einen ausgezeichneten Nährboden für ihr kriminelles Treiben gibt. Denn um diese sehr hohe Nachfrage von käuflichem Sex (wie wir sie in Deutschland haben) zu stillen, braucht es ein sehr breit aufgestelltes Angebot.
Es wird immer gesagt man müsse differenzieren zwischen Prostitution und Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung/Zuhälterei – leider habe ich in meinen 6 Jahren in der Prostitution gesehen, dass man größtenteils nicht differenzieren kann, weil es bei der großen Mehrheit fließende Übergänge sind.
Wer Prostitution unterstützt, lässt Menschenhandel zwangsläufig weiter gedeihen.
„Mein Herz blutet wegen all der Opfer, die sich noch unter der Kontrolle von anderen befinden. Jetzt, wo wir die Wahrheit über Menschenhandel wissen, können wir ihm nicht den Rücken zudrehen und so tun als ob dieses Problem nicht existieren würde. Er ist wie Krebs, der sich jeden Tag weiter ausbreitet und mehr wird, und es liegt bei jedem von uns unseren Teil dazu beizutragen das Ganze zu beenden.“
– Nicole, eine Überlebende aus den USA –
Mehr zu A21 gibt es hier:
http://www.a21.org/