Monat: Dezember 2017

Beitrag bei „Eesti Ekspress“ – Estland

Der folgende Beitrag mit mir erschien am 27.12.2017 in der politischen Wochenzeitung „Eesti Ekspress“ in Estland als Druck – und Onlineversion.

Hier steht die Onlinefassung:

http://ekspress.delfi.ee/elu/endine-prostituut-see-oli-liinitoo?id=80570726

Hier ist die deutsche Übersetzung:

In Deutschland ist Prostitution legal. Sandra lernte damals im Internet einen 20 Jahre älteren Mann kennen, der ihr Liebe vorspielte und anschließend von ihr verlangte sich zu prostituieren als sie noch Schülerin war. 6 Jahre war sie in verschiedenen Bordellen. Allmählich gelang es ihr sich aus der Prostitution zu befreien. Sie begann ihr Abitur nachzuholen, fand ihren ersten Job außerhalb des Rotlichtmilieus und fing danach an zu studieren. Um zu zeigen, dass die deutsche liberale Prostitutionsgesetzgebung nicht der richtige Weg ist, schreibt Sandra seit letztem Jahr den Blog https://mylifeinprostitution.wordpress.com/.

Sie treten nicht mit Ihrem richtigen Namen auf und sagen nicht wo Sie wohnen, aber Sie zeigen Ihr Gesicht. Wieso? Haben Sie nicht Angst, dass die Vergangenheit Sie dadurch irgendwie einholt?
Ich habe lange überlegt, ob ich an die Öffentlichkeit gehen soll. Letztlich habe ich mich dafür entschieden und bereue diese Entscheidung keinesfalls. Dass es mittlerweile natürlich Menschen gibt, die meinen richtigen Namen und Wohnort kennen, war mir von vornherein klar. Ich hatte überlegt, gleich mit echtem Namen aufzutreten, empfand es für mich selbst beim ersten Schritt an die Öffentlichkeit aber als angenehmer zumindest noch einen kleinen Schutz zu bewahren. Meine Vergangenheit ist immer präsent, nun muss ich sie wenigstens nicht mehr verstecken.

Haben Sie je nach dem Ausstieg irgendwo Ihre Kunden getroffen? Haben Sie Angst davor?
Nein, ich habe niemanden getroffen und ich habe auch keine Angst davor. Ich bin nach allem zu einer starken Persönlichkeit herangewachsen. Zudem muss ich ganz ehrlich sagen, dass es Tausende von Männern waren und dass ich die meisten Gesichter gar nicht mehr erkennen würde. Es war wie Fließbandarbeit, Gesichter sind hier Schall und Rauch.

Wie würden Sie Ihren durchschnittlichen Kunden beschreiben? 
Es gab keine durchschnittlichen Kunden. Es waren Männer aus allen Schichten. Alte Männer, junge Männer, auch körperlich und geistig Behinderte, es war zu jederzeit alles dabei. Männer, die bildhübsche Frauen und Kinder hatten, ein tolles Haus, bei denen man denken müsste, genau hier sollte doch alles in Ordnung sein, aber oft waren genau das die Schlimmsten. Die meisten waren liiert oder verheiratet.

Wie sahen Ihre Tage als Prostituierte aus?
Monoton und trist. Es ist als würden Sie in einem Hamsterrad laufen, welches nicht aufhört sich zu drehen. Sie laufen und laufen, ohne Ziele, ohne Wünsche, ohne Träume. Sie schauen nicht nach links, nicht nach rechts, Sie laufen einfach nur geradeaus. Sie denken, Sie laufen um ihr Leben, aber in Wirklichkeit laufen Sie langsam aus dem Leben. Sie haben viele verschiedene Freier, oft Stammfreier. Letztere sind häufig schwerer zu ertragen als „neue“ Freier, weil man bereits zu Beginn weiß, worauf man sich gleich einstellen muss. Um sowas dauerhaft ertragen zu können, konsumieren viele Prostituierte Alkohol und weitere Drogen in Massen. Sehr viele waren auch süchtig – alkoholsüchtig und/oder drogensüchtig.

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