Zwei Freier, unterstützt durch den BSD, haben am 02.06.2022 eine Verfassungsbeschwerde eingereicht.


Fragt sich nun noch gegen was genau.
Auf der Homepage steht:
„Wir unterstützen daher mit dieser Kampagne die Verfassungsbeschwerde zweier Kunden gegen die Verschärfung der „Freierstrafbarkeit“ in § 232a Abs. 6 Satz 2 StGB beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.“
Mit der neuen Verschärfung meinen sie die Strafbarkeit der Freier im § 232a Abs. 6 S. 2 StGB. Danach muss Freiern, die Opfer von Menschenhandel oder Zwangsprostitution „in Anspruch nehmen“, kein Vorsatz mehr nachgewiesen werden. Eine leichtfertige Begehung genügt, um sich strafbar zu machen:
Auf deren Homepage ist allerdings der komplette § 232a Abs. 6 StGB durchgestrichen:

Ob die Freier nun wollen, dass allein die Strafbarkeit der leichtfertigen Begehungsweise als verfassungswidrig anerkannt wird oder gleich die komplette Freierstrafbarkeit: Es ist sowas von geschmacklos und ignorant, gegen diese Regelung, die keine generelle Freierbestrafung vorsieht, sondern nur eine Freierbestrafung von Freiern, die MENSCHENHANDELSOPFER oder ZWANGSPROSTITUIERTE vorsätzlich oder leichtfertig in Anspruch nehmen, anzugehen.
Anstatt einzusehen, dass es wichtig und nötig ist, sich abzusichern, dass man kein Menschenhandelsopfer oder eine Zwangsprostituierte vor sich hat und wenn man sich nicht sicher ist, ob man leichtfertig handelt und möglicherweise ein Opfer vor sich hat, weil die Situation komisch ist, lieber einfach zu gehen, besitzen diese Freier hier auch noch die Dreistigkeit Verfassungsbeschwerde gegen ein Schutzgesetz für Opfer von schwersten Straftaten einzulegen. Weil es ihr geglaubtes Recht auf Sex stört? Weil sie dann nicht mehr so unbekümmert das tun können, was sie in Freierforen alles ablassen?
So weit sind wir schon in Deutschland. So sicher fühlen sich Freier in Deutschland. So sicher, dass sie denken, ungestraft „Sex“ mit einer Frau haben zu können, von der sie leichtfertig verkannt haben, dass sie Menschenhandelsopfer oder Zwangsprostituierte ist. Ich habe dafür keine Worte mehr.
Dann heißt es noch auf der Homepage:
„Durch die Einführung des unbestimmten Rechtsbegriffes und Straftatbestandes der „Leichtfertigkeit“ wird eine höchst bedenkliche Formulierung verankert. Diese ist mit dem Art. 103 Abs. 2 GG unvereinbar.„
Ich weiß ja nicht, ob die Anwälte der Beschwerdeführer das StGB kennen, aber der Begriff der Leichtfertigkeit kommt dort öfter vor und ist sicherlich keine „höchst bedenkliche Formulierung“.
Ich lege sogar noch eins oben drauf:
Neben der Möglichkeit, im StGB auch Fahrlässigkeit für eine Strafbarkeit ausreichen zu lassen, hätte der Gesetzgeber theoretisch auch die Möglichkeit gehabt, die Umstände der Zwangslage und die Opfersituation als sog. objektive Bedingung der Strafbarkeit festzulegen und die Freier auch ganz ohne Vorliegen von Fahrlässigkeit, Leichtfertigkeit oder Vorsatz zu bestrafen:
„Im Ergebnis und insbesondere wegen der möglichen „Abschreckungsfunktion“ des Tatbestandes sowie zur Reduzierung der Nachfrage wäre es wünschenswert gewesen, noch weitergehend (allgemein) Fahrlässigkeit zum besseren Schutz der Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution genügen zu lassen oder – noch extensiver – den Umstand der Zwangslage und der Opfersituation als objektive Bedingung der Strafbarkeit auszugestalten. In letzterem Fall müsste dann nur (objektiv) das Vorliegen der Zwangslage des Opfers bewiesen werden, auf einen dementsprechenden Vorsatz oder eine Fahrlässigkeit des Täters käme es nicht mehr an. Es würde genügen, dass er hinsichtlich des Kaufes der sexuellen Dienstleistung vorsätzlich handelt. Das würde die Strafverfolgung, die im Bereich Menschenhandel ohnehin schon rudimentär genug ist, deutlich vereinfachen und möglicherweise den Freier davon abhalten, Menschenhandelsopfer bzw. Zwangsprostituierte weiter zu „benutzen“ und ihn dazu anhalten, sich im Zweifelsfalle lieber eine andere Dienstleisterin auszusuchen bzw. ihn gar dazu veranlassen positiv festzustellen, dass die Prostituierte eben nicht unter Zwang „arbeitet“.“ (vgl. Dr. Julia Bosch – Freierstrafbarkeit – Quo Vadis?, KriPoZ 5 | 2021, S. 299)
Oder:
„Es wird somit vorgeschlagen, dass der Umstand, dass das Opfer infolge eines Menschenhandels rekrutiert oder aufgrund einer Zwangsprostitution veranlasst wurde, als objektive Bedingung der Strafbarkeit ausgestaltet wird. Somit entfällt die Nachweisproblematik der inneren Tatseite und dem Tatbestand kann – insbesondere im Vergleich zu den Normen des Sexualstrafrechts – Eigenständigkeit zugesprochen werden.“ (vgl. Dr. Oliver Ofosu-Ayeh, § 232a Abs. 6 StGB: Die Umsetzung der Freierstrafbarkeit, ZJS 2/2020, S. 111).
Vgl. auch das Papier der OSZE zu den verschiedenen Formen der Kriminalisierung der Nachfrage, u.a. auch der Kriminalisierung der Nachfrage als quasi objektive Bedingung der Strafbarkeit: Criminalizing the use of all trafficking victims (strict liability), https://www.osce.org/cthb/489388, p. 39 ff.
Und der BSD, der u.a. Bordellbetreiberverband, der ja nach eigener Aussage auch für die Rechte von prostituierten Menschen eintritt und immer wieder als Sachverständiger auftritt (während er u.a. solche Videos dreht: https://www.youtube.com/watch?v=XDK154ih4pg&t=4s), unterstützt diese Verfassungsbeschwerde natürlich. Wundern tut mich das nach allem nicht.
Verkauft wird die Verfassungsbeschwerde auf der oben angegebenen Homepage dann so:
„Mit dem heimlich, zu nächtlicher Stunde verabschiedeten Gesetz wird der Teil der Bevölkerung, der sexuelle Dienstleistungen beansprucht, unter Generalverdacht gestellt und kriminalisiert.“
Also der Teil der Bevölkerung, der leichtfertig „Sex“ mit einem Menschenhandelsopfer oder einer Zwangsprostituierten hat, wird unter „Generalverdacht“ gestellt und auf der genannten Homepage quasi bemitleidet?
Wer leichtfertig am schweren Missbrauch dieser Menschen, allermeist Frauen, mitmacht, die davon sehr oft jahrelang oder auch ihr ganzes Leben schwer traumatisiert sind, der hat noch eine verdammt viel höhere Strafe verdient, als unser Gesetz momentan vorsieht. Es ist richtig und unausweichlich nötig, dass solche Menschen, Freier, kriminalisiert werden, wenn sie so etwas tun. Und es ist richtig, dass sie dabei eigens als Täterkategorie benannt werden.
Diese Verfassungsbeschwerde ist nicht nur armselig, sondern zeigt den Wolf im Schafspelz.
Damit haben diese Menschen mal wieder gezeigt, aus welchem Holz sie geschnitzt sind und auf welcher Seite sie stehen.
Das Ergebnis der Verfassungsbeschwerde wird (meiner Einschätzung nach – alles andere wäre ein Armutszeugnis für dieses Land) folgendermaßen lauten:
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig (falls die Anwälte das diesmal hinbekommen haben, ich erinnere nur an Dona Carmens Verfassungsbeschwerde, die schon nicht einmal zulässig war), aber unbegründet.