Zwangsprostitution

Zuhören. Einer starken Frau.

Unten findet ihr ein Video mit Larisa Butnariu – es wurde mit deutschen Untertiteln versehen. Wenn ihr das Video unten aufruft, könnt ihr deutsche Untertitel einstellen.

Nachfolgend noch ein Ausschnitt aus dem Film mit Larisa Butnariu, Opfer von schwerstem Menschenhandel, schwerster Zwangsprostitution, Entführung, Vergewaltigung und anderen schweren Straftaten. Was diese Frau durchlebt hat (auch in Deutschland), ist der einzige Horror.

Bitte nehmt euch diese 30 Minuten und hört dieser tapferen Frau zu:

„Vergewaltigungen, während derer sie gezwungen war, eine Maske zu tragen, eine Rolle zu spielen:

„Die der glücklichen Frau, der es gefällt, mit 10 Männern zu […], mit 10 unterschiedlichen Durchmessern, mit 10 unterschiedlichen Längen.“

Während du schwanger warst.

„Ja.“

Wurdest du noch zur Prostitution gezwungen von deinem sogenannten „Ehemann“?

„Ja. Bis zur Nacht der Geburt. Ich fand mich zwischen Männern mit einem Fetisch für schwangere Frauen.

Ich sehe, wie viel Bosheit das Thema im virtuellen Raum ausstrahlt und wie wir Frauen beschuldigt werden, dass wir es freiwillig tun und danach weinen.

Möchtet ihr nicht, nachdem ihr gebärt – nicht nachdem ihr geboren wurdet, sondern nachdem ihr gebärt –, nachdem ihr die Qualen von 16 Stunden Wehen durchgemacht habt, nach einer natürlichen Geburt, nachdem ihr genäht seid dort unten, eine Vergewaltigung durchleben? Oder, wie in meinem Fall, sieben am Stück? Möchtet ihr nicht den grausamen Schmerz erleben beim Reißen der Nähte?“

Stellungnahme zur Verfassungsbeschwerde von 2 Freiern gegen den § 232a Abs. 6 S. 2 StGB

Zwei Freier, unterstützt durch den BSD, haben am 02.06.2022 eine Verfassungsbeschwerde eingereicht.

Fragt sich nun noch gegen was genau.

Auf der Homepage steht:

Wir unterstützen daher mit dieser Kampagne die Verfassungsbeschwerde zweier Kunden gegen die Verschärfung der „Freierstrafbarkeit“ in § 232a Abs. 6 Satz 2 StGB beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

Mit der neuen Verschärfung meinen sie die Strafbarkeit der Freier im § 232a Abs. 6 S. 2 StGB. Danach muss Freiern, die Opfer von Menschenhandel oder Zwangsprostitution „in Anspruch nehmen“, kein Vorsatz mehr nachgewiesen werden. Eine leichtfertige Begehung genügt, um sich strafbar zu machen:

Auf deren Homepage ist allerdings der komplette § 232a Abs. 6 StGB durchgestrichen:

Ob die Freier nun wollen, dass allein die Strafbarkeit der leichtfertigen Begehungsweise als verfassungswidrig anerkannt wird oder gleich die komplette Freierstrafbarkeit: Es ist sowas von geschmacklos und ignorant, gegen diese Regelung, die keine generelle Freierbestrafung vorsieht, sondern nur eine Freierbestrafung von Freiern, die MENSCHENHANDELSOPFER oder ZWANGSPROSTITUIERTE vorsätzlich oder leichtfertig in Anspruch nehmen, anzugehen.

Anstatt einzusehen, dass es wichtig und nötig ist, sich abzusichern, dass man kein Menschenhandelsopfer oder eine Zwangsprostituierte vor sich hat und wenn man sich nicht sicher ist, ob man leichtfertig handelt und möglicherweise ein Opfer vor sich hat, weil die Situation komisch ist, lieber einfach zu gehen, besitzen diese Freier hier auch noch die Dreistigkeit Verfassungsbeschwerde gegen ein Schutzgesetz für Opfer von schwersten Straftaten einzulegen. Weil es ihr geglaubtes Recht auf Sex stört? Weil sie dann nicht mehr so unbekümmert das tun können, was sie in Freierforen alles ablassen?

So weit sind wir schon in Deutschland. So sicher fühlen sich Freier in Deutschland. So sicher, dass sie denken, ungestraft „Sex“ mit einer Frau haben zu können, von der sie leichtfertig verkannt haben, dass sie Menschenhandelsopfer oder Zwangsprostituierte ist. Ich habe dafür keine Worte mehr.

Dann heißt es noch auf der Homepage:

Durch die Einführung des unbestimmten Rechtsbegriffes und Straftatbestandes der „Leichtfertigkeit“ wird eine höchst bedenkliche Formulierung verankert. Diese ist mit dem Art. 103 Abs. 2 GG unvereinbar.

Ich weiß ja nicht, ob die Anwälte der Beschwerdeführer das StGB kennen, aber der Begriff der Leichtfertigkeit kommt dort öfter vor und ist sicherlich keine „höchst bedenkliche Formulierung“.

Ich lege sogar noch eins oben drauf:

Neben der Möglichkeit, im StGB auch Fahrlässigkeit für eine Strafbarkeit ausreichen zu lassen, hätte der Gesetzgeber theoretisch auch die Möglichkeit gehabt, die Umstände der Zwangslage und die Opfersituation als sog. objektive Bedingung der Strafbarkeit festzulegen und die Freier auch ganz ohne Vorliegen von Fahrlässigkeit, Leichtfertigkeit oder Vorsatz zu bestrafen:

Im Ergebnis und insbesondere wegen der möglichen „Abschreckungsfunktion“ des Tatbestandes sowie zur Reduzierung der Nachfrage wäre es wünschenswert gewesen, noch weitergehend (allgemein) Fahrlässigkeit zum besseren Schutz der Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution genügen zu lassen oder – noch extensiver – den Umstand der Zwangslage und der Opfersituation als objektive Bedingung der Strafbarkeit auszugestalten. In letzterem Fall müsste dann nur (objektiv) das Vorliegen der Zwangslage des Opfers bewiesen werden, auf einen dementsprechenden Vorsatz oder eine Fahrlässigkeit des Täters käme es nicht mehr an. Es würde genügen, dass er hinsichtlich des Kaufes der sexuellen Dienstleistung vorsätzlich handelt. Das würde die Strafverfolgung, die im Bereich Menschenhandel ohnehin schon rudimentär genug ist, deutlich vereinfachen und möglicherweise den Freier davon abhalten, Menschenhandelsopfer bzw. Zwangsprostituierte weiter zu „benutzen“ und ihn dazu anhalten, sich im Zweifelsfalle lieber eine andere Dienstleisterin auszusuchen bzw. ihn gar dazu veranlassen positiv festzustellen, dass die Prostituierte eben nicht unter Zwang „arbeitet“.“ (vgl. Dr. Julia Bosch – Freierstrafbarkeit – Quo Vadis?, KriPoZ 5 | 2021, S. 299)

Oder:

Es wird somit vorgeschlagen, dass der Umstand, dass das Opfer infolge eines Menschenhandels rekrutiert oder aufgrund einer Zwangsprostitution veranlasst wurde, als objektive Bedingung der Strafbarkeit ausgestaltet wird. Somit entfällt die Nachweisproblematik der inneren Tatseite und dem Tatbestand kann – insbesondere im Vergleich zu den Normen des Sexualstrafrechts – Eigenständigkeit zugesprochen werden.“ (vgl. Dr. Oliver Ofosu-Ayeh, § 232a Abs. 6 StGB: Die Umsetzung der Freierstrafbarkeit, ZJS 2/2020, S. 111).

Vgl. auch das Papier der OSZE zu den verschiedenen Formen der Kriminalisierung der Nachfrage, u.a. auch der Kriminalisierung der Nachfrage als quasi objektive Bedingung der Strafbarkeit: Criminalizing the use of all trafficking victims (strict liability), https://www.osce.org/cthb/489388, p. 39 ff.

Und der BSD, der u.a. Bordellbetreiberverband, der ja nach eigener Aussage auch für die Rechte von prostituierten Menschen eintritt und immer wieder als Sachverständiger auftritt (während er u.a. solche Videos dreht: https://www.youtube.com/watch?v=XDK154ih4pg&t=4s), unterstützt diese Verfassungsbeschwerde natürlich. Wundern tut mich das nach allem nicht.

Verkauft wird die Verfassungsbeschwerde auf der oben angegebenen Homepage dann so:

Mit dem heimlich, zu nächtlicher Stunde verabschiedeten Gesetz wird der Teil der Bevölkerung, der sexuelle Dienstleistungen beansprucht, unter Generalverdacht gestellt und kriminalisiert.

Also der Teil der Bevölkerung, der leichtfertig „Sex“ mit einem Menschenhandelsopfer oder einer Zwangsprostituierten hat, wird unter „Generalverdacht“ gestellt und auf der genannten Homepage quasi bemitleidet?

Wer leichtfertig am schweren Missbrauch dieser Menschen, allermeist Frauen, mitmacht, die davon sehr oft jahrelang oder auch ihr ganzes Leben schwer traumatisiert sind, der hat noch eine verdammt viel höhere Strafe verdient, als unser Gesetz momentan vorsieht. Es ist richtig und unausweichlich nötig, dass solche Menschen, Freier, kriminalisiert werden, wenn sie so etwas tun. Und es ist richtig, dass sie dabei eigens als Täterkategorie benannt werden.

Diese Verfassungsbeschwerde ist nicht nur armselig, sondern zeigt den Wolf im Schafspelz.

Damit haben diese Menschen mal wieder gezeigt, aus welchem Holz sie geschnitzt sind und auf welcher Seite sie stehen.

Das Ergebnis der Verfassungsbeschwerde wird (meiner Einschätzung nach – alles andere wäre ein Armutszeugnis für dieses Land) folgendermaßen lauten:

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig (falls die Anwälte das diesmal hinbekommen haben, ich erinnere nur an Dona Carmens Verfassungsbeschwerde, die schon nicht einmal zulässig war), aber unbegründet.

Beitrag in Trauma-Zeitschrift „Asanger“

Mir ist das Thema Trauma rund um Menschenhandel und Prostitution sehr wichtig. Ich versuche immer wieder darauf aufmerksam zu machen. Viele meiner Gedanken dazu sind nun in einem Beitrag der Zeitschrift „Trauma – Zeitschrift für Psychotraumatologie und ihre Anwendungen“ des Verlags Asanger“ in das Heft 2-2022 aufgenommen worden. Vielen Dank an den Verlag sowie speziell den Verantwortlichen dieses Hefts und auch an alle Menschen, die zuhören und sich damit beschäftigen, um die Lage von Betroffenen stetig verbessern zu können. Danke auch dem Verlag, dass ich meinen Beitrag aus dem Heft für meine Aufklärungsarbeit veröffentlichen darf! (weiter unten könnt ihr ihn ansehen/downloaden)

Das ganze Schwerpunktheft mit dem Titel „Organisierte sexuelle Gewalt“ von Juni 2022 könnt ihr unter folgendem Link erwerben: https://www.asanger.de/zeitschriftzppm/themenhefte/2022/heft-2-2022.php

Die Beschreibung des Hefts lautet:

Themenschwerpunkt: Organisierte sexuelle Gewalt (Hrsg. Claudia Igney). Organisierte sexuelle Gewalt und Ausbeutung hat viele Gesichter. Unterstützung und Hilfe für Betroffene beim Ausstieg aus den Gewaltstrukturen und für den Aufbau eines gewaltfrei(er)en Lebens sind ebenso vielfältig. Das vorliegende Themenheft möchte einen Einblick in diese Arbeitsfelder geben und zur fachlichen Diskussion anregen. Mit einem Überblick über verschiedene Formen organisierter sexueller Gewalt, deren Gemeinsamkeiten und Unterschiede, über die Lebensrealität von Frauen in der „legalen“ Prostitution und Zwangsprostitution, über die Beratungsangebote bei organisierter sexualisierter und ritueller Gewalt für Betroffene, deren soziales Umfeld und psychosoziale Fachkräfte sowie über sexualisierte Gewalt mittels digitaler Medien.

Nachfolgend könnt ihr meinen Beitrag lesen:

Nürnberg: 1-stündiger Podcast mit mir – über die Frauentormauer, Freier und Freiwilligkeit

Ich habe bei einem Podcast aus Nürnberg mitgemacht, der unter dem Dach des Verlags Nürnberger Presse entsteht, zu dem auch die Nürnberger Nachrichten und nordbayern.de gehören. Über 1 Stunde Platz wurde mir da eingeräumt. Am Anfang hatte ich Zweifel, ob ich zu diesem Podcast zusagen soll. Diese Stadt bereitet mir auch heute noch Bauchschmerzen. Gerade deswegen war mir das Gespräch aber auch wichtig. Menschen sollen vermehrt hören und sehen, was unter anderem auf öffentlichen Straßen an der Nürnberger Frauentormauer geschieht:

Verbrechen an Menschen, an Frauen, an den schwächsten und vulnerabelsten dieser Gesellschaft.

Ich bin müde es immer und immer wieder wiederholen zu müssen, aber was ist meine Müdigkeit gegen das, was die Frauen da durchmachen müssen (auch wenn sie es selbst meist noch nicht äußern können, weil sie es nicht äußern dürfen)? Nichts. Ich muss hier auf die Repeat-Taste drücken, ich sehe mich in der Verantwortung. Wenn nicht diejenigen reden, die wissen, was dort stattfindet, wer dann? Ich möchte, dass die Lichter des Rotlichts an diesem Ort irgendwann ausgehen – ich möchte natürlich, dass sie überall ausgehen, nicht nur in Nürnberg und den umliegenden Städten, in denen ich war. Und wenn die Lichter ausgehen, wünsche ich mir, dass die Frauentormauer ein Denkmal wird und zwar ein Denkmal der Grausamkeit von Menschen und ein Denkmal davon, wie viele Frauen hier Gewalt erfahren und ihre Seele verloren haben und dabei noch ganz legal in Fenstern zur Schau gestellt wurden. Ein Denkmal, das daran erinnern wird, es nie wieder zuzulassen. Danke an das Podcast-Team, das mir mit dieser Podcast-Folge die Möglichkeit gegeben hat, auch das sichtbarer zu machen, was viele nicht sehen können oder auch nicht sehen wollen.

Aus dem Zeitungsartikel zum Podcast:

In unserem Podcast „heiß & innig“ erzählt Sandra in bewegenden Worten von ihrem Schicksal. Im Gespräch geht es diesmal weder heiß noch innig zu. Sandras Worte bedrücken vielmehr, rütteln aber gleichermaßen auf, denn diese Frau hat zwar Fürchterliches erlebt, aber ganz klare Ziele.

Sandra Norak hat das Abitur nachgeholt, seit einem Jahr das Jurastudium abgeschlossen und will nun Anwältin werden, um ihr Engagement gegen Zwangsprostitution auszuweiten. Sie will aufklären, um zu verhindern, dass es anderen jungen Frauen wie ihr ergehen könnte.

Für Sandra Norak steht fest: Prostitution macht Frauen kaputt, sie lehnt daher den in ihren Augen beschönigenden Begriff „Sexarbeit“ ab. „Das ist nichts, was man menschenwürdig ausüben kann“, sagt sie.

Schuldig machen sich ihr zufolge nicht nur Bordelle und Zuhälter, die die Notlage von Frauen ausnutzen, schuldig mache sich auch der Gesetzgeber mit viel zu laxen Vorgaben. Aber auch an Freier richtet sie im Podcast Worte, die nichts an Deutlichkeit vermissen lassen.

Und was passiert, wenn sie endlich Anwältin ist? „Dann“, sagt Sandra Norak, „werde ich klagen, klagen, klagen.“

Schon jetzt hat sie einen Verbund gegründet, in dem sich Betroffene von Menschenhandel und Ausbeutung organisieren: ge-stac.com

Quelle:

https://www.nordbayern.de/ratgeber/sie-musste-in-nurnberg-anschaffen-heute-kampft-sandra-norak-gegen-zwangsprostitution-1.12072863

https://www.nn.de/leben/sie-musste-in-nurnberg-anschaffen-heute-kampft-sandra-norak-gegen-zwangsprostitution-1.12072863

https://www.fein-raus.de/sie-musste-in-nuernberg-anschaffen-heute-kaempft-sandra-norak-gegen-zwangsprostitution-1c2c2519-08cc-4af2-b10a-42bfa09436e5

Nachfolgend der Podcast auf YouTube zum Anhören (auch in den Zeitungsartikeln ist das Audio zu hören sowie auch bei Spotify):

Frauentormauer Nürnberg: Eine Unterwelt in einer öffentlichen Straße

…und niemand spricht öffentlich so wirklich darüber. 

Den folgenden Text habe ich heute Nacht geschrieben:

„Es ist jetzt 2 Uhr nachts, ich liege gerade im Bett und kann nicht schlafen. Ich liege nicht in meinem Bett, sondern in einem B&B Hotel nahe des Hauptbahnhofs in Nürnberg.

Mir ist kalt, ich habe keinen warmen Pullover dabei, weil der Besuch in Nürnberg wegen eines Termins sehr kurzfristig und ich vorher woanders war. Und ich weiß gar nicht, ob ich diesen Text am Ende veröffentlichen werde, aber meine Gedanken muss ich zunächst runterschreiben.

Ich kann diese Hotels hier um den Bahnhof herum nur schwer ertragen. Dass sich das bis heute nicht geändert hat, spüre ich jetzt gerade sehr stark. Es erinnert mich an die Zeit mit Freiern im Hotel in der Region und auch hier im Bahnhofsbereich. Wäre es nicht so kalt würde ich lieber im Freien anstatt in einem Hotel hier schlafen. Mein Termin morgen ist nahe dem Bahnhof. Diese Umgebung des Bahnhofs und der Mauer, wenn es Nacht wird, das habe ich vorher wieder gespürt… Überall laufen gruselig aussehende Männer rum, die einen anreden, anstarren, anmachen. Ich bin innerlich ständig in Alarmbereitschaft, wenn ich die Gegend des Bahnhofs entlang der Mauer ablaufe. So viele Erinnerungen. So viele ungeahndete Schicksale. Und es läuft weiter. Alles staut sich in mir, ich fühle mich in die Zeit von früher zurückversetzt. Ich kann das „Damals“ spüren als wäre es das „Heute“. Ich habe ganz komische Gefühle, ein Gefühl ist das von erstickter Panik, ich ertappe mich dabei beim Gehen entlang der Mauer die Luft anzuhalten und erinnere mich daran wieder Luft holen zu müssen.

Um ca. 22:30 Uhr, als ich auf Facebook und Instagram den Artikel und das Bild der ermordeten prostituierten Frau online gestellt habe, in deren Fall die Polizei nach Zeugen und Zeuginnen sucht (helft bitte mit: Klick hier), saß ich auf einem Stein am Jakobstor, Eingang Engelhardsgasse (mit FFP2 Maske und halb vermummt, damit meine Identität nicht sichtbar ist). Das ist ein Eingang zur Frauentormauer. Es standen dort rumänische Frauen, die telefonierten und sprachen. Ich blieb kurz (ca. 20 Minuten) dort, setzte mich auf den Stein und damit es weniger auffiel, was ich hier mache, habe ich auf meinem Handy rumgetippt und dann den Artikel gefunden.

Bevor ich mich dort hingesetzt habe bin ich (auch „verschleiert“ mit FFP2 Maske) durch das Tor gelaufen, durch die Engelhardsgasse. Wenn man das Tor hindurchgeht sind in der Querstraße viele Laufhäuser und auch „Milieu“ Kneipen.

Mir rutschte schon mein Herz in die Hose, als ich an der „Herz Dame“ vorbeigehe. Die hieß früher zu meiner Zeit im Milieu anders. Ich fühle mich wie gelähmt und gehe und gehe weiter wie ein Roboter, nehme Gesichter wahr, düstere Gestalten, meine Erinnerungen und meine Angst wird stärker, ich frage mich innerlich, was in aller Welt ich hier eigentlich mache, nachts um halb 11. Nicht nur mich dort aufzuhalten, um etwas zu suchen, sondern auch Fotos zu machen. Fotos zu machen ist nicht gerne gesehen, wenn das jemand sieht.

Naja, dann saß ich da noch auf dem Stein beim Jakobstor und habe gemerkt, dass ich insbesondere von 2 Männern beobachtet werde. Das waren keine Freier. 

Einer, bei dem es aussah als ob er dort „patrouillierte“, kam immer näher. Es war eine Körpersprache wie „du bist ein milieuexterner Fremdkörper, was willst du hier, du störst hier“. Wenn man einmal tief im Milieu war, nimmt man die Gestik und Körpersprache von Menschen im Bereich des Rotlichts besonders sensibel wahr. Man kennt es von früher. Andere zu lesen und, wo nötig und möglich, zu deeskalieren bevor es eskaliert, habe ich jahrelang gelernt. Das brauchte ich, um heile zu bleiben. Ich habe das bis heute in mir drin. Bzgl. dieses Mannes habe ich auf meinem Handy weitergetippt und so getan als ob ich ihn nicht sehe.

Dann kam er direkt zu mir, sprach mich an und fragte:

„Warten Sie auf wen?“

Es war kein deutscher Mann. Muskulös.

Ich: „Warum?“

Er: „Weil Sie hier sitzen?“ (Der Ton vermittelte: Das gefiel ihm nicht so. Manche aus dem Milieu verhalten sich auch als sei eine öffentliche Straße ihre Straße, denn Leute im Milieu markieren gern ihr „Revier“. Seien das Frauen oder Orte oder auch Straßen…)

Ich: „Ich warte auf meine Freundin.“ (Habe ich natürlich nicht, weil ich alleine dort war, aber ich musste ihn ja irgendwie wieder loswerden)

Er hackt nach, obwohl ich sehr deutlich „Freundin“ sagte:

„Auf einen Freund oder eine Freundin?“ (Alle anschaffenden Frauen mit Zuhältern „warten“ an der Mauer auf ihre „Freunde“ = Zuhälter. Ich hätte ihm beinahe gesagt, dass ich den „Freund“ = Zuhälter schon hinter mir habe und ich mir das für alle Frauen hier wünsche, aber ich hielt meinen Mund und sagte nur erneut „auf eine Freundin“).

Er sah mich skeptisch an (denn da sitzt normalerweise nachts keine Frau, die nichts mit dem Milieu zu tun hat und auf ihre Freundin wartet) und ging wieder das Jakobstor hindurch in Richtung Laufhäuser.

Ich habe Gründe, wenn ich dort hingehe. Macht das bitte NICHT nach, da nachts hinzugehen. Auch nicht „vermummt“ und mit FFP2 Maske im Gesicht.

An der Frauentormauer ist die Kriminalität hoch. Als ich damals im Milieu war, war die Frauentormauer milieuintern bekannt als mitunter der schlimmste Ort  für die Frauen in der Prostitution (meist Betroffene von Menschenhandel und Zwangsprostitution) in der Gegend. Ich habe damals schon kriminelle Leute dort agieren sehen mit denen sich mein Zuhälter traf und ich dabei war. 

Dass die Frauentormauer auch heute noch von Kriminalität und auch Gruppierungen, die ich von damals dort schon kannte, geprägt ist, kann man als Außenstehender u.a. auch in Freierforen nachlesen (Beispiele siehe unten) und ein Zeitungsartikel von letztem Jahr verrät ebenso Einblicke, der über einen versuchten Totschlag durch 3 Hells Angels Mitglieder im Bucuresti (Engelhardsgasse – auch gleich dort am Jakobstor bei der Frauentormauer – direkt bei den Laufhäusern) und von schweren Drohungen durch die drei HAMC Mitglieder an einer weiteren Person berichtet:

Die drei Männer werden mit Fußfesseln in den Saal geführt – die Sicherheit wird groß geschrieben, soll es sich bei den Angeklagten doch um Mitglieder des Motorradclubs Hells Angels handeln…

Der Geschädigte erlitt mehrere Schnittverletzungen, an den Scherben riss er sich die Hüfte auf und zog sich eine 15 Zentimeter lange Wunde zu, dazu kam ein Beckenbruch. Die Glasscherben bohrten sich in einen Hüftknochen und trennten seinen Oberschenkelmuskel vom Hüftknochen. Er wurde gerade noch rechtzeitig in die Notaufnahme gebracht, ohne Hilfe wäre er verblutet…

Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth ist überzeugt, dass die drei Männer bereits zwei Tage vorher einen anderen Mann in Angst und Schrecken versetzten – von ihm wollten sie 10.000 Euro erpressen, zahlbar innerhalb einer Woche.

Es ging dabei nicht um Schulden, vielmehr hatten sie auf die Summe „keinen Anspruch“, wie es der Ankläger formuliert.

Doch die Drohungen waren fürchterlich: Sollte er nicht zahlen, werde man seine Frau als Prostituierte auf den Strich schicken, dem Mann werde man die Leber mit einem Messer herausschneiden, und auch seiner Familie in Rumänien wolle man etwas antun. Völlig eingeschüchtert von seinen Landsleuten wandte sich der Mann an die Polizei.“ Quelle: Kneipenschlägerei in Nürnberg: Rocker sollen Gast fast totgeprügelt haben

Hier noch 3 Freierberichte über die Frauentormauer (die ich schon mal verlinkt hatte; es gibt aber weitaus mehr…):

Schlimm sind diese ganzen Zuhältertypen, die sich gegenüber von den Schaufenstern postieren und gaffen. Der ein oder andere Typ steht noch an der selben Stelle, nachdem ich ein Mädel gefickt habe und mich wieder vom Acker mache.“ https://huren-test-forum.lusthaus.cc/showthread.php?t=201689&page=12

Die SDL [Sexdienstleisterin] gestern Abend erwähnte die Problematik, dass bei vielen in der FTM [Frauentormauer] im Hintergrund ein Kerl profitiert. Nur halt nicht so offensichtlich.“ https://huren-test-forum.lusthaus.cc/showthread.php?t=201689&page=11

Sie zieht ihren Slip aus und ist überall blutverschmiert, sie hat wohl heftig ihre Tage. Außerdem kommen jetzt etliche üble blaue Flecken an Po und vor allem den Schenkelinnenseiten zum Vorschein. Bäh! Da hat sie irgendeiner ziemlich übel misshandelt… Als ich zum Eindringen ihre Beine etwas spreizen und leicht nach hinten drücken will, ich bin sicher nicht grob dabei, protestiert sie und drückt mich weg. Ich sehe trotzdem kurz das Ausmaß der Sauerei, die sie verbergen wollte. Mir vergeht es fast, aber ich bin noch ziemlich geil vom Anwichsen. Bitte um Säuberung, denn so geht das ja wirklich gar nicht. Die Fortsetzung bzw. den Beginn des Aktes will ich dann auch in der Doggy, um es schnell mit wenig Körperkontakt abzuschliessen. Doch sie nimmt dabei eine Körperhaltung ein, in der man(n) praktisch nicht in sie eindringen kann. Meine Versuche ihr klar zu machen, dass das so nicht geht, werden mit: „Gel?“ beantwortet. Meinetwegen… Das wird jetzt auf meinem Gummi aufgetragen, aber nicht an ihrer Muschi. Wieder versuche ich vergeblich vorsichtig in sie einzudringen, doch sie zieht immer weg, bevor ich sie überhaupt berühre... Verlange ziemlich aufgebracht 20 Euro zurück, denn Blasen hat sie noch erfüllt (= 30 Euro), Ficken erfolgreich verhindert. Sie dann ziemlich eingeschüchtert, weil ich wirklich richtig sauer wurde… Dem Bodybuilder Security Typ am Eingangskabuff interessiert das Ganze gar nicht, lässt den völlig kalt. Ich hätte den auch nicht angesprochen (wozu auch?), das hat die blöde Kuh gemacht, die sich die Bezahlungskürzung außerhalb des Zimmers nicht mehr gefallen lassen wollte – finde, ich war dabei echt noch fair für das was sie da abgeliefert hat und ohne dass ich ein Finish hatte. Parteiisch war der Typ auch nicht, was mich eher verwunderte. Glaube, dass sie dann erst recht verärgert war, dass ich mit ihm wirklich null Problem hatte. Er meinte nach meiner Schilderung, was überhaupt los ist, nur: „Blutverschmiert? Ist ja ne Sauerei. Aber die ist vom Fenster, keine Stammbelegschaft, da kann ich nichts machen. Macht das untereinander aus, aber bitte nicht hier im Eingangsbereich…„. https://huren-test-forum.lusthaus.cc/showthread.php?t=172842

Die Frauentormauer in Nürnberg ist von Gewalt und Kriminalität geprägt. Das Rotlichtviertel dort ist eine Unterwelt auf öffentlichen Straßen. Das gehört an- und ausgesprochen und verboten. Nicht nur in Nürnberg.“

Text von heute Nacht zu Ende.

Es ist jetzt ca. 16:30 Uhr, ich bin fertig mit meinem Termin und verlasse Nürnberg und seine Bahnhofsregion inkl. Mauer nun wieder.

Das Gute wird gewinnen. Leider erst nach unzähligen schweren Menschenrechtsverletzungen, weil nicht genügend zugehört, nicht genügend hingesehen wird, dass sich zügig etwas ändern muss. Die Menschen wachen immer mehr auf, aber das geht zu langsam. Wir haben hier keine Zeit. Irgendwann wird die Mauer bzw. die Bordelle dort geschlossen sein und eine Bewusstseinsänderung stattgefunden haben. Es wird noch viel mehr Menschen geben, die es schockierend finden werden, dass etwas so lange unter dem Deckmantel der Legalität nach unseren Gesetzen existieren durfte. Bis dahin ist es noch viel Arbeit, aber diese ist es wert und wir werden immer mehr Menschen im Kampf gegen dieses System. Deutschlandweit, europaweit, weltweit.

QR-Code für Informationen und Hilfe zum Thema Menschenhandel / Ukraine

Zusätzlich zu den Flyern haben wir von Ge-STAC nun auch diesen QR-Code erstellt, der vieles an manchen Stellen noch einmal einfacher macht und noch mehr Chancen gibt.

Wenn man mit dem Handy diesen QR-Code einscannt, kommt man auf die Ukraine Hilfeseite von Ge-STAC (die auch auf dem Flyer abgedruckt ist) mit Informationen und Kontaktnummern: https://ge-stac.com/help/

Die Ge-STAC Webseite hat auch die Option, u.a. auf ukrainische Sprache umgestellt zu werden (sodass Betroffene es auch lesen können) – ganz oben auf der Seite bei den Sprachbuttons.

Einen QR-Code Scanner haben viele auf dem Handy. Wenn ihr eine Einrichtung seid, die mit Flüchtlingen arbeitet/in Kontakt kommt, könnt ihr diesen QR-Code zum Beispiel irgendwo platzieren, wo er gut sichtbar ist, beispielweise mit dem Verweis „Informationen und Hilfe zum Thema Menschenhandel“ („Інформація та допомога з питань торгівлі людьми“). Man kann den QR-Code als Bild einfach abspeichern und beliebig verwenden.

Film über meine Arbeit in der ARD Mediathek

Foto: Max Kronawitter/IKARUS-Filmproduktion

Wer den Film von Max Kronawitter über meine Arbeit nachgucken möchte, kann das hier tun (aufgrund der Altersbeschränkung muss man sich anmelden):

Ab Herbst kann der Film für Schulen und Bildungsveranstaltungen inkl. von mir erstelltem Material dazu geordert werden. Infos dazu kommen noch.

Gruß nach Passau

Ich habe meinen Studienort geheim gehalten, solange ich am Studieren war. Jetzt ist es aber raus:

Ich habe in Passau Jura studiert und aufgrund des Films von Max Kronawitter über meine Arbeit, der am 8.3.22 um 23:40 Uhr bei ARD ausgestrahlt wird, hat mich die PNP (Passauer Neue Presse) angeschrieben für ein Interview. Dieses erschien gestern in der Samstagsausgabe.

Als ich in Passau an der Uni war, las ich immer wieder Artikel über Prostitution in der Region. Auch über das Eroscenter Platin in Passau, das ein sog. Gütesiegel vom BSD bekommen hat.

Ein Ausschnitt aus dem Artikel der PNP lautet:

Heute besucht Sandra Norak Schulen in ganz Deutschland und klärt über die Gefahren der Prostitution auf. „Es ist ganz wichtig, über Methoden von Menschenhändlern aufzuklären. Es hätte mir damals geholfen, wenn ich von der ,Loverboy‘-Methode gewusst hätte, also dass es Männer gibt, die gezielt nach jungen Mädchen und Frauen suchen, Liebe vortäuschen, eine emotionale Abhängigkeit erzeugen und von Anfang an den Vorsatz haben, die Frau damit in die Prostitution zu treiben und auszubeuten. Als junger Mensch kommt man nicht darauf, dass es so etwas geben könnte.“… Sandra Norak ist sich aus ihren Erfahrungen im Rotlichtmilieu sicher: Die meisten Prostituierten sind Opfer von Menschenhändlern oder Zuhältern. „Manche Frauen werden auch eingesperrt, andere haben keine Zuhälter, aber eine Traumatisierung, wurden zum Beispiel in ihrer Kindheit sexuell missbraucht und kennen es nicht anders. Der Begriff der Freiwilligkeit ist hier ein fragwürdiges Konstrukt, wenn ein Mensch einfach nicht weiß, wie ein Leben ohne Gewalt aussieht.“ Die meisten Freier würden diese Umstände  auch durchaus sehen, nehmen sie aber – wortwörtlich – in Kauf.
Sandra Norak kennt auch die Regeln des Milieus, weiß, wie die Frauen dazu gebracht werden nach außen hin zu vermitteln, dass sie glücklich sind und freiwillig als Prostituierte arbeiten…
Ein großes Anliegen ist der 32-Jährigen, dass  Bordellbetreiber künftig nicht mehr so viel in der Öffentlichkeit zu Wort kommen.  Sie seien Teil der „Ausbeutungsmaschinerie“. Nach Noraks Erfahrungen ist es in den meisten Fällen nicht möglich, dass ein Bordellbetreiber überhaupt genug Frauen für seine Einrichtung findet, ohne dabei auf Kontakte ins Milieu, zu Menschenhändlern und Co. zurückzugreifen. Auch warnt sie davor, den Gütesiegeln für Bordelle zu vertrauen, die vorgeben, die Frauen würden selbstbestimmt und freiwillig in der Prostitution arbeiten. „Keiner außer die Frauen selbst weiß genau,  was die Frauen bewegt, wer oder was dahinter steckt.“  
Die ARD-Dokumentation „Echtes Leben: Vom Bordell ins Jurastudium“  ist am Dienstag, 8. März, um 23.40 Uhr im Ersten zu sehen. Weitere Informationen gibt es unter  www.sandranorak.com bzw. https://ge-stac.com/

Hier geht es zum ganzen Artikel in der PNP:

https://www.pnp.de/lokales/stadt-und-landkreis-passau/passau-stadt/Frueher-Zwangsprostituierte-heute-Juristin-Niederbayerin-berichtet-4251922.html

Ich freue mich über jegliche Menschen in Passau (und natürlich auch woanders), die das Thema nun auch verstärkter in den Blick nehmen.

Wer mal lesen möchte, was Passau für „tolle“ Freier hat, die einfach so über „lustlose“ Frauen drüber rutschen (wobei lustlos ein sehr sichtbares äußerliches Anzeichen davon ist, dass sie – trotz dessen, was sie sagen (muss) – sehr wahrscheinlich nicht möchte, was hier gerade stattfindet, und sie gar vielleicht unter Druck/Zwang steht, was aber im Umkehrschluss nicht bedeutet, dass Frauen, die gut schauspielern und lächeln – weil sie es müssen – generell ok sind oder ohne Druck/Zwang arbeiten), der lese z.B. das hier:

Wenn Freier sich und/oder anderen Menschen einreden möchten, dass sie die „respektvollen“ und „guten“ Freier sind

Ich habe heute den Kommentar eines Freiers gefunden und möchte euch einen Auszug davon zeigen:

Ich weiß, dass u.a. viele Freier hier auf meiner Seite lesen, denn ich sehe immer wieder Verlinkungen aus Freierforen auf meine Seite, zum Beispiel diese hier: https://huren-test-forum.lusthaus.cc/showthread.php?t=290565

Was haben wir oben im Text also für ein „Freierexemplar“?

Einen jener Freier, die über andere Freier schimpfen und sich selbst als die Tollen darstellen, weil sie sich – zum Beispiel wie der Freier oben – zuvor geduscht haben und den ausgemachten „Service“ einhalten.

Dann ist dieser Freier oben im Text ja wirklich noch so vermeintlich überzeugt von sich und denkt, er könne einer Frau, die er dafür bezahlt, dass sie sich von ihm penetrieren lassen muss, „ein Lächeln ins Gesicht zaubern“.

Nun, gelächelt habe ich damals auch oft. Allerdings, weil ich es musste und nicht, weil das Lächeln echt war. Zu lächeln und so zu tun, als ob es einem gut geht, ist Teil des „Geschäfts“. Viele Frauen versuchen es zumindest, müssen es versuchen. Man versucht zu lächeln und freundlich zu sein, während man innerlich gerade stirbt. Manche Frauen, die „neu“ in das Milieu kamen, tranken wenig bis gar keinen Alkohol zuvor (wie ich anfangs) und man konnte die Tage zählen, bis sie massenhaft Alkohol tranken, denn ohne Alkohol und/oder Drogen ist es – jedenfalls auf Dauer – nicht möglich, freundlich zu sein und zu lächeln, während man fühlt, sexuell missbraucht zu werden. Und das bis zu 10 – 20 Mal am Tag. Von anderen kenne ich noch höhere Zahlen.

In der Prostitution wird nicht nur von einem erwartet, dass man es aushält und über sich ergehen lässt, sondern es wird darüber hinaus erwartet, dass man Freiern „ein Lächeln“ schenkt, was diese dann so interpretieren können wie der Freier oben im Textausschnitt, nämlich dass sie den Frauen „ein Lächeln ins Gesicht zaubern“.

Dass dieses Lächeln nicht echt ist, wissen die allermeisten Freier, denn es gibt immer Momente, in denen der Gesichtszug aufgrund von unerträglichen Schmerzen und des Nachlassens der Wirkung des Alkohols entgleitet. Das habe ich auch im Hinblick auf andere Frauen beobachten können, wenn ein Freier zwei Frauen haben wollte und ich mit einer anderen Frau und diesem Freier auf Zimmer war. In manchen Momenten, wenn ich gerade nicht „an der Reihe war“, konnte ich die Freier und das, was da gerade zwischen dem Freier und der Frau geschah sowie Augen, Mimik und Gesichtsausdrücke besonders gut beobachten, was mir das Herz zerbrochen hat, denn MAN SIEHT DIE GEWALT, auch dann, wenn die Frau versucht, es nicht als solche aussehen zu lassen. Viele Freier erregt es auch, wenn sie merken, dass man Schmerzen hat und sie sehen, dass man damit kämpft, sich das Weinen zu verkneifen, oder es ist ihnen schlicht einfach egal, ob man lacht oder weint, man wird als lebende Puppe behandelt, die die ausgemachte Zeit herzuhalten hat. Dass es einem schlecht geht, wird von Freiern entweder toll gefunden, als Teil der Machtausübung und Erniedrigung, oder es wird ignoriert. Sie sehen es, aber sie wollen ihren Spaß, sie wollen das, wofür sie bezahlt haben. Momente, in denen der Schmerz mehr als sichtbar wird, blenden sie aus, erwähnen ihn nicht und erzählen dann lieber – ähnlich zum Freier oben – nur von dem „Lächeln“ der Frau, dessen Aufgesetztheit im Übrigen jeder halbwegs normale Mensch mit auch nur ein bisschen Empathie spüren kann.

Der Freier oben sagt, dass er sich duscht und den „Service“ einhält.

Dadurch entsteht aber dennoch kein sexueller Konsens auf Seiten der prostituierten Frau, wirklich mit diesem Menschen intim werden zu wollen. Da kann er sich 20 Mal duschen und schrubben und sich das teuerste Parfum draufsprühen und die Frau in ein 5 Sterne Hotel mit Rosen auf dem Bett empfangen: Eine gefühlte Vergewaltigung, ein gefühlter Missbrauch, ändert sich nicht dadurch, dass jemand nicht stinkt, den „Service“ einhält und dich im Luxushotel empfängt. Ein abwegiger Gedanke, eine ungewollte Nähe und Penetration würde dadurch „nett“, „respektvoll“ oder was auch immer, weil die äußeren Umstände „gut“ sind. Missbrauch ändert sich nicht dadurch, dass man die äußeren Umstände um ihn herum „schön“ gestaltet und versucht, ihn damit „respektvoll“ auszuüben, was im Übrigen auch gar nicht geht. Schmerz ist Schmerz, seelisches Leid ist seelisches Leid, egal ob in einem Keller auf einer schäbigen Matratze oder im Himmelbett mit Champagner und Erdbeeren neben dran, egal ob ein Mensch geduscht oder ungeduscht ist.

Schlimmer geht natürlich immer. Zum Beispiel wenn Freier Drogen genommen haben und handgreiflich werden. Steigerungen von Missbrauch und Gewalt gibt es immer. Dass es immer schlimmer geht, bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass duschen und vermeintliches gut riechen sowie „Service“ einhalten dazu führt, dass es nicht schlimm ist. Viele meiner Freier hatten Parfum dran, wo andere sagen würden: Das riecht doch gut. Nach meinem Ausstieg bekam ich Flashbacks, wenn ich die Parfums meiner damaligen Freier irgendwo an anderen Männern oder in Geschäften gerochen habe. Da es sehr viele Freier und daher sehr viele Parfums waren, war das keine Seltenheit.

Missbräuchliches Verhalten ist und bleibt missbräuchliches Verhalten und man kann es nicht dadurch ausschalten, dass man gut riecht oder sich duscht. Im Gegenteil: Der Geruch wird Teil des Missbrauchs und dann oft zum Triggerpunkt als Traumafolge.

Dass viele meiner Freier sich geduscht und den „Service“ eingehalten haben, hat übrigens an der Tatsache, dass ich von Menschenhandel und Zuhälterei betroffen war und lange Zeit nahezu alles abgeben musste, nichts geändert. Meine Zwangsprostitution ist durch die Dusche und das Parfum eines Freiers nicht schöner geworden.

Gehobener Escort muss auch nicht immer Selbstbestimmtheit heißen, denn Zuhältern ist es natürlich auch lieber, wenn sie pro Stunde mehr kassieren können als in irgend einem Bordell. Als ich im Flat-Rate-Bordell war, musste ich erstmal 15-20 Freier machen, bis mein Zuhälter am Ende des Tages zwischen 150-200 Euro in der Hand hatte, je nachdem wieviel eine Frau pro Freier bekam (was davon abhing wie oft ein Freier mit seiner an den Betreiber gezahlten Pauschale auf Zimmer ging). Durch den Escort und die Haus- und Hotelbesuche bekam ich das oder mehr in 1 Stunde.

Nicht vom Schein trügen lassen:

Nur weil etwas nach außen hin wie Selbstbestimmtheit aussieht, muss noch lange keine dahinter stecken. Nur weil eine prostituierte Frau lächelt, weil sie es – aus unterschiedlichen Gründen – muss, ist dieses Lächeln nicht echt. Nur weil eine prostituierte Frau sagt, dass es ihr gut geht und alles ok ist, weil sie es – aus unterschiedlichen Gründen – muss, heißt das noch lange nicht, dass es auch so ist.

Ich hatte viele Freier, die so geredet haben wie der Freier oben im Textausschnitt – und sie haben mich ganz besonders angewidert, weil sie den von ihnen begangenen Missbrauch verleugnet haben. Die Leugnung von Missbrauch und das Verdrehen von Dingen (z.B. als wäre der Missbrauch etwas „Nettes“), kann auf der emotionalen Ebene noch schwieriger zu ertragen sein.

Die „freiwillige“ Prostitution als Folge von sexueller Gewalt & Zwangsprostitution

Foto: Max Kovalenko

Ich kenne viele Geschichten von Frauen, die nach dem an ihnen verübten Menschenhandel und der Zwangsprostitution „freiwillig“ in der Prostitution blieben oder später in die „freiwillige“ Prostitution gegangen sind. Auch meine Geschichte ist durch eine Phase solch einer Freiwilligkeit geprägt.

Oft fragen sich die Menschen, warum man denn noch freiwillig da bleibt oder wieder zurück geht, wenn alles so schlimm war und man endlich gehen könnte, wenn man da nie wieder sein müsste.

Der Hauptgrund ist: Die Frauen bleiben oder gehen oft zurück, weil sie keine Perspektive sehen, keinen Ausweg sehen, keinen Lebensmut mehr haben und dieses Leben während der Ausbeutung zwischen Missbrauch und Gewalt in der Prostitution derart prägend und traumatisierend war, dass sie fühlen, durch die ganzen Freier ihre Würde verloren zu haben, am Rande der Gesellschaft zu stehen, nirgends mehr hinzugehören. Nirgends, außer in die Prostitution. Oft ist die spätere freiwillige Prostitution auch Teil des Versuchs, die Kontrolle über den eigenen Körper zurückzugewinnen. Wo vorher die Täter Geld mit dem Körper der Frauen verdient haben, wird von diesen später versucht, das nun selbst zu tun. In dem Glauben, so bekämen sie ihre Selbstbestimmung zurück. In der Hoffnung, die Ausbeutung wäre dann nicht mehr ganz so schlimm, weil man nun auch etwas „davon hat“. Dann kommt auch häufig irgendwann der nächste Zuhälter oder wieder der alte Zuhälter und die Ausbeutung geht weiter. Nicht selten folgt daraufhin ein Teufelskreis, der die Frauen über Jahre oder auch Jahrzehnte weiter in diesem System festhält – ohne dass sie jemals dorthin wollten.

Umgedreht ist es mit Missbrauchsopfern in der Kindheit, die später „freiwillig“ in die Prostitution einsteigen. Hier gibt es vielleicht nicht immer einen Täter beim Einstieg in die Prostitution. Der Täter, der der Frau ihre Würde geraubt hat, war aber schon in der Kindheit da.

In all diesen Varianten der „freiwilligen“ Prostitution gab es zuvor Täter, die schwere Straftaten an den Frauen begangen haben, und zwar solche, die einen Menschen in seiner Persönlichkeit brechen können. Diese Frauen sind in Bezug auf eine Reviktimisierung hoch gefährdet. Ein gebrochener Mensch wehrt sich oft nicht mehr. Er nimmt hin. Er erträgt. Er funktioniert. Er hat sich mit der Gewalt abgefunden. (Sexuelle) Gewalt auszuhalten ist für diesen Menschen normal geworden.

Wir haben also fortan die freiwillige Prostituierte.

Und Teile unserer Gesellschaft jubeln den Spruch der Profiteure:

„Sexarbeit ist Arbeit“

…ohne zu wissen, was bei den Allermeisten hinter dieser „Arbeit“ steckt und wie viel (sexuelle) Gewalt ein Mensch ertragen musste, damit er das irgendwann „freiwillig“ tut.

Die vielfältigen Traumatisierungen von Betroffenen von Gewalt in diesem Bereich sind mit der einfach menschlichen Logik „wenn es Gewalt ist, geh‘ doch nicht mehr hin“ nicht zu erfassen. Wer sehr viele Frauen im System Prostitution verstehen möchte, der muss verstehen lernen, wie sich Gewalt – vor allem sexuelle Gewalt (durch Freier, Zuhälter, etc.), geprägt von den mitunter schlimmsten menschlichen Erniedrigungen und Demütigungen, die das Intimste eines Menschen betreffen – auswirken kann. Wer diese Frauen verstehen möchte, muss verstehen lernen, wie sich komplexe Traumatisierungen auswirken und zu Tage treten können – ohne die Betroffenen zu pathologisieren. Nur wer versteht, der kann auch helfen.